Wunden verbinden - Vom Kreuz geprägt
Verletzungen benennen und den Finger in die Wunde legen. Wunden verbinden und Schmerzen lindern. Aber auch Wunden solidarisch mittragen, wo sie nicht heilen. Und in all dem Jesus erfahrbar machen. Lesen Sie die neue Ausgabe der Franziskaner Mission
Ist unser christlicher Glaube, verglichen mit anderen Religionen, nicht etwas geschmacklos? Diese Frage ist mir schon manchmal gekommen. Wie ästhetisch schön waren etwa die Göttinnen und Götter des antiken Olymps mit ihren ewig jungen, formvollendeten Körpern in erträumten Idealmaßen. Und welche satte Zufriedenheit strahlt ein „Lucky Buddha“ aus, wohlgenährt und lachend in sich ruhend. Wirkt dagegen der christliche Schmerzensmann nicht tatsächlich abstoßend, voller Wunden und von brutaler Folter entstellt? Angstschweiß und Blut gehören untrennbar zum Christusgeheimnis. Und das hört dann noch nicht einmal mit Ostern auf: Der Auferstandene ist gerade an seinen Verletzungen erkennbar …
Nicht ohne Grund wirft man uns Christen oft eine fast masochistische Fixierung auf das Leid vor. Ich aber halte das Christentum hier einfach für provozierend realistisch: Wohl keiner kommt im Leben ungeschoren davon. Wo Menschen zusammenleben, tun sie sich auch gegenseitig weh. Viele schleppen tiefe Verletzungen mit sich herum. Das einzugestehen, ist kein Zeichen von Pessimismus, sondern einfach nur ehrlich. Es geht nicht darum, Verletzungen zu kultivieren und in Wunden zu rühren, weder in eigenen noch in fremden. Aber Wunden zu verstecken, das bringt auch nicht weiter. Sie sind da. Und es bleibt die Frage, wie ich damit umgehe.
Vor 800 Jahren hat Franz von Assisi die Wundmale Christi empfangen. Daran erinnert die vorliegende Ausgabe unserer Zeitschrift „Franziskaner Mission“. Die Stigmatisation kurz vor seinem Tod ist die logische Konsequenz eines intensiven Lebens. Sie macht äußerlich anschaulich, was ihn seit seiner Jugend innerlich umgetrieben hat. Ein Leben lang hat er versucht, Jesus ähnlich zu werden. Kurz vor seinem Tod wird diese Verbundenheit auch an seinem Leib sichtbar. Als junger Mann hat er die schützende Ritterrüstung abgelegt und war dann ein Leben lang bereit, sich von fremder Not berühren zu lassen: von der Verzweiflung der Aussätzigen, dem Elend der Armen, dem Ärgernis einer evangeliumsfernen Kirche. Am Ende ist er selbst verletzt und gezeichnet. Gerade der solidarische Bruder wird zum Bild Christi.
Was bedeutet heute „Mission“? Und wie geht „Evangelisierung“ hier bei uns in einem Land, in dem der christliche Glaube immer dünner wird? Unser verwundeter Bruder Franziskus hat nach 800 Jahren kein Rezept für uns, gibt uns aber vielleicht doch einige wichtige Hinweise: Sei ehrlich, kleistere Not nicht zu, auch nicht mit frommen Sprüchen. Lass dich berühren von den Wunden der anderen und der Zeit. Sei solidarisch mit denen, die heute verletzt und stigmatisiert werden. Genau so machst du etwas von Christus in dieser Welt sichtbar.
Verletzungen benennen und auch mal den Finger in die Wunde legen. Wunden verbinden und Schmerzen lindern. Aber auch Wunden solidarisch mittragen, wo sie nicht heilen. Und in all dem etwas von Jesus erfahrbar machen. Darum geht es uns Franziskanern auch in unserer weltkirchlichen Arbeit.
Die Zeitschrift Franziskaner Mission liegt in gedruckter Form in allen Klöstern und Werken der Deutschen Franziskaner aus und wird an mehr als 35.000 Spender und Freunde der Franziskaner verschickt.
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