Stellungnahme der "Franziskanischen Familie in Brasilien" (CFFB) zur aktuellen politischen Situation in Brasilien

Am 14. April 2016 - drei Tage vor dem Beschluss zum Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff - veröffentlichte die franziskanische Dachorganisaton "Franziskanische Familie in Brasilien (CFFB)" folgende Stellungnahme:

"Korruption ist leider keine neue Erscheinung in der Geschichte Brasiliens und muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Allerdings stellen erzwungene Maßnahmen, denen es an der nötigen Objektivität mangelt, eine Unterminierung der rechtsstaatlichen Prinzipien in einem demokratischen Staat dar. Diese Prinzipien sollten sicherstellen, dass die Beklagten eine angemessene Verteidigung und ein fairer Prozess erwarten - ohne Nötigung, Bedrohung oder Vorverurteilung durch die Medien. Die Verquickung von Rechtsprechung, politischen Parteien und Medien widerspricht demokratischen Prinzipien. Die undichten Stellen, die täglich über die Medien spektakuläre Neuigkeiten über Zeugen, Untersuchungsergebnisse und Denunziationen durchsickern lassen, verfolgen die Intention, die Verantwortlichen zum Rücktritt zu zwingen. Dies führt zur Zerstörung von Reputationen, einer unangemessenen Einmischungen in die politische Debatte und zu einem Klima der Bedrohung. Die öffentliche Meinung wird  beeinflusst, um eine vermeintliche Einmütigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit eines Amtsenthebungsverfahrens zu demonstrieren. Das Klima der Intoleranz und des Hasses in der politischen Debatte gründet leider auf einer Gewaltkultur, die noch immer tief in unserer Gesellschaft verankert ist. Dadurch wird  eine soziale Ordnung von Ungerechtigkeiten aufrecht erhalten. Man kann dies jeden Tag sehen: Menschen werden auf den Straßen zusammengeschlagen, landlose Arbeiter in Parana oder Bauern in Paraiba umgebracht. 

Im Angesicht dieser Realität verbindet sich die "Franziskanische Familie in Brasilien" (CFFB) mit der brasilianischen Bischofskonferenz (CNBB), Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Künstlern, Intellektuellen und kirchlichen sowie sozialen Bewegungen - kurzum mit allen, die die Demokratie verteidigen, für die Brasilien lange und intensiv gekämpft hat. Wir glauben, dass nur Demokratie, Respekt und die Ermutigung zur aktiven Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger in der Lage sind, der Ungerechtigkeit und den Ungleichheiten in unserem Staat zu begegnen. Zusammen mit Papst Franziskus und in der franziskanischen Tradition des Einsatzes für eine friedliche und gerechte Welt, werden wir uns aktiv daran beteiligen, die demokratische Ordnung in Brasilien zu verteidigen."

Br. Markus Heinze ofm von Franicscans International hofft, dass die Erklärung neue Kräfte mobilisiert und vor allem auch deutlich macht, dass radikalere Reformen notwendig sind. Auch das Hilfswerk Adveniat geht in einer aktuellen Pressemitteilung auf das Amtsenthebungsverfahren ein:

"Brasiliens Parlament hat mit einer klaren Zweidrittel-Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff gestimmt. Sechs Monate wird dieser Prozess das stark polarisierte und wirtschaftlich kriselnde Land nun beschäftigen. Die Folge: Das Land ist gelähmt. [...] Verlierer der weitverbreiteten Korruption sind die Armen des Landes. Darauf haben die brasilianischen Bischöfe in einer gemeinsamen Erklärung hingewiesen. Adveniat steht hinter der Auffassung der Brasilianischen Bischofskonferenz, dass nur grundlegende politische Reformen die Krise des Landes beenden können.

Der Vorwurf gegen Dilma Rousseff lautet, dass sie die Haushaltszahlen im Wahljahr 2014 geschönt haben soll, was Juristen eher als administratives Vergehen bewerten. Von dem Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin profitieren vorwiegend Politiker, gegen die bereits Verfahren wegen Korruption laufen. Für Adveniat-Referent Norbert Bolte lässt sich dies nur dadurch erklären, dass Rousseff vor allem während ihrer ersten Amtszeit gegen die weitverbreitete Korruption in der brasilianischen Politiker-Elite vorgegangen ist: „Gerade in den ersten Jahren hat sie kompromisslos selbst Minister beim entsprechenden Verdacht beurlaubt und auf gerichtliche Klärungen gedrungen – auch in der eigenen Partei.“ Diese Haltung provozierte den Widerstand derjenigen, die ihre Macht schwinden sahen. Die Folge: Der Druck auf Dilma Rousseff wuchs in den vergangenen Jahren und gipfelte im Amtsenthebungsverfahren.

Adveniat steht an der Seite der brasilianischen Bischöfe, die in einer gemeinsamen Erklärung die bei Unternehmern, Politikern und staatlichen Angestellten verbreitete systemische Korruption als unmoralisch und kriminell kritisieren. „Wer bezahlt für die Korruption? Es sind mit Sicherheit die Armen, ‚die Märtyrer der Korruption‘“, schreibt die Brasilianische Bischofskonferenz mit Bezug auf Papst Franziskus. Für die brasilianischen Bischöfe und das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat steht fest: Es braucht eine grundlegende politische Reform, die zu einer effektiven politischen Teilhabe des Volkes, einer klaren Gewaltenteilung und glaubwürdigen öffentlichen Institution führt."